Stromnetz

Aus Nachhaltigkeitspolitik
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Unter einem Stromausfall versteht man eine unbeabsichtigte Unterbrechung der Versorgung mit Elektrizität. Die Energieübertragung erfolgt mit elektrischem Strom, der im selben Moment erzeugt und zu den Verbrauchsstellen transportiert werden muss. Daher ist der Grund eines Stromausfalles die Unterbrechung des Stromkreises oder ein Ungleichgewicht von Bereitstellung und Bedarf. Ein Mittel- bzw. langfristiger Stromausfall oder Totalausfall, welcher durch einen kompletten Spannungsausfall im Minutenbereich bis in den Bereich einiger Stunden reichen kann, wird im Englischen auch als Blackout bezeichnet. Vergleichsweise sehr lange Ausfallszeiten im Bereich von Tagen bis zu einigen Wochen sind mit großräumigen Schäden an der Infrastruktur wie der Leitungen verbunden, beispielsweise als Folge extremer Wetterereignisse im Winter (siehe Liste historischer Stromausfälle, Münsterländer Schneechaos November 2005).

Unkoordinierte Einführung erneuerbarer Energie steigert Blackout-Risiko

Warum erhöht der Zuwachs erneuerbarer Energie das Blackout-Risiko?

Die Untersuchungen der Ursachen der weltweit aufgetretenen Blackouts zeigen als wesentliche Ursachenkomplexe: Die Privatisierung und Liberalisierung führten zur Vernachlässigung der Netze und deren Infrastrukturen; der verstärkte Zuwachs von erneuerbarer Energie bewirkt die Instabilität des Netzes.[1] Da sich die Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie im Unterschied zu Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken (Supply-Side-Management bzw. SSM)[2] wie Kohle- oder Gaskraftwerken nicht an den Bedarf der Verbraucher anpassen kann, steigt dadurch das Risiko, dass es zu einem Ungleichgewicht zwischen erzeugter und verbrauchter Leistung kommt. Besteht so ein Ungleichgewicht auch nur wenige Millisekunden lang, so reicht das schon, um einen Stromnetz-Blackout auszulösen. In einem Stromnetz mit einem sehr hohen Anteil an Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie kann das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch nur durch Anpassung der Stromverbraucher an die Stromerzeugung sichergestellt werden, was auch als Demand-Side-Management (DSM)[3] bezeichnet wird. Dazu sind jedoch Smart-Grid-Zähler erforderlich und auch zeitvariable Stromtarife, welche im Fall hoher Stromnachfrage höher sein müssen als in Zeiten geringer Stromnachfrage. Im Jahr 2014 erfolgt EU-weit wohl ein Roll-Out der Smart-Grid-Zähler, die Stromerzeuger und Verteilnetzbetreiber haben jedoch noch kaum rasch veränderliche variable Stromtarife für die Strom-Endverbraucher im Angebot und es gibt im Jahr 2014 auch noch keine Elektrogeräte in den Haushalten und in der Industrie, welche mit ihrem Stromverbrauch rasch und vollautomatisch auf Tarifänderungen reagieren können. Da dadurch die für die Netzstabilität erforderliche Anpassung der Stromverbraucher an die in Solar- und Windkraftwerken erzeugte Leistung nicht im erforderlichen Ausmaß möglich ist, wird in den nächsten Jahren die Gefahr europaweiter Stromnetz-Blackouts so hoch sein, wie es vor dem zu raschen Anstieg der Stromerzeugung aus witterungsabhängigen Energiequellen nie der Fall war. Da auch Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke (wenn auch langsamer als GuD-Kraftwerke) in der Lage sind, sich mit der erzeugten Leistung im Sinn von Supply-Side-Management an die verbrauchte Leistung anzupassen, bewirkt das allzu rasche und gleichzeitige Abstellen der Kernkraftwerke und wegen der CO2-Emissionen auch der Kohlekraftwerke in Deutschland ein zusätzliches Stromnetz-Blackout-Risiko in Europa.[4] Die Über-Förderung von Solar- und Wind-Energie in Deutschland bewirkte, dass EU-weit auch Erdgaskraftwerke wegen im Vergleich dazu nicht mehr marktfähigen Stromerzeugungskosten abgestellt werden müssen. Da GuD-Erdgas-Kraftwerke am schnellsten in der Lage sind, sich mit der erzeugten Leistung im Sinn von Supply-Side-Management an die verbrauchte Leistung anzupassen, bewirkt das durch Solarstrom-Überförderung erzwungene Abstellen vieler Erdgas-Kraftwerke noch ein zusätzliches Stromnetz-Blackout-Risiko in Deutschland und damit im gesamteuropäischen Stromnetz, das ja europaweit verbunden ist. Wenn in einer Netzregion kurzfristig das Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch in Gefahr ist, so könnte dies auch durch einen überregionalen Stromleistungsausgleich behoben wären. Wird in Nordeutschland beispielsweise mit Off-Shore-Windkraftwerken zu viele elektrische Energie erzeugt, während in Süddeutschland zu viel Energie verbraucht wird, so könnte mit ausreichend starken überregionalen Hochspannungsfreileitungen mit über 1000 kV Gleichspannung dieses Leistungsdfizit in Süddeutschland aus Norddeutschland ausgeglichen werden. Zur Reduktion des Stromnetz-Blackout-Risikos auf diese Art müssten jedoch vor dem Abstellen der Kohle-, Gas und Atomkraftwerke schon drei bis vier Hochspannungsfreileitungen mit über 1000 kV Gleichspannung von Norddeutschland nach Süddeutschland ("Stromautobahnen") vorhanden und auch auf Stromtarifanstiege rasch reagierende Stromverbrauchsrücknahmen technisch flächendeckend umgesetzt sein. Die Nichtakzeptanz der Bevölkerung für solche weithin sichtbaren optisch nicht schönen Stromautobahnen trotz bereits hoher regenerativer Energieerzeugung und noch fehlender variabler Stromtarife ist ein weiterer Grund dafür, dass das Risiko europaweiter Stromnetz-Blackouts in den nächsten Jahren sehr hoch sein wird. Das große Risiko für die Blackoutgefahr ergibt sich nicht aus dem an sich viel später und langsamer richtigen Abstellen der Gas-, Kohle und Kernkraftwerke, sondern aus dem allzu raschen Timing ohne Vollzug der dazu vorher unbedingt notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen.

Vernachlässigung der Netze durch Privatisierung und Liberalisierung

Das im Übertragungsnetzbetrieb gültige (n-1)-Kriterium wurde ursprünglich für Systeme mit lokaler Netzabdeckung und geringen Transportentfernungen entwickelt. Gegen großflächige und überregionale Netzausfälle (Blackouts), deren Häufigkeit und Ausmaße weltweit zunehmen, erweist sich dieses Kriterium als unwirksam.[4] In den Dekaden zwischen 1965 und 1995 traten großflächige Netzausfälle noch vereinzelt auf, nach 2005 waren es im Durchschnitt 14 Ereignisse im Jahr.[5] Sie haben ihre Gründe im Mehrfachversagen, kaskadierenden Fehlern im Netz und werden u. a. auf die hohe Auslastung des Übertragungsnetzes (was zu Einschränkungen der Netzerneuerungen, Netzverstärkungen und Erweiterungen führt), die unstete Einspeisung aus regenerativen Energiequellen und die Verletzlichkeit großer Übertragungsstrecken vom Erzeuger bis zum Verbraucher zurückgeführt. Die Abschaltung der 7 + 1 Kernkraftwerke im März 2011 verschärfte diese Situation durch Wegfall von Leistung in Süddeutschland.

Unmittelbare Auslöser überregionaler Stromausfälle

  • Zu netzweiten, überregionalen Stromausfällen kommt es beispielsweise, wenn die Regelung des Netzes nicht oder nicht schnell genug auf Störungen oder Veränderungen im Stromnetz reagiert. Häufigste Ursache jener Störungen ist die Missachtung des N-1-Kriteriums, welches besagt, dass zu keiner Zeit der Ausfall eines bestimmten Betriebsmittels wie einer Leitung, eines Transformators oder Generators zu einem Gesamtausfall führen darf. Weitere Ursache können unmittelbare Mehrfachfehler sein – allerdings sind diese Fehler durch den hohen Automatisierungsgrad eher selten. Blitzeinschläge sind in der höchsten Spannungsebene kaum die Ursache von Ausfällen und werden durch Überspannungsableiter an den Leitungsenden abgefangen. In manchen Fällen führen Blitzeinschläge durch die automatische Wiedereinschaltung zu kurzzeitigen Unterbrechungen einzelner Leitungen.
  • Extreme Wetterlagen, Schnee und Eis wie beispielsweise bei dem Münsterländer Schneechaos oder im Jahr 1998 in der Region von Québec in Kanada. Zur Abhilfe können zusätzliche Einrichtungen wie der Lévis-Enteiser zur Enteisung von Freileitung installiert werden, wenn die Eigenerwärmung der Freileitungen bei extremen Wetterlagen im Winter nicht mehr ausreicht.
  • Ein magnetischer Sturm führte 2003 zu einen einstündigen Netzausfall in Malmö[6]. Ein starker magnetischer Sturm wie der Sonnensturm von 1859 könnte einen überregionalen Stromausfall auslösen[7].
  • Gezielte sabotierende Angriffe gegen Kraftwerke, Umverteiler oder Strommasten wie beispielsweise in der Feuernacht 1961 in Südtirol können ebenfalls zu überregionalen Stromausfällen führen.
  • Als Anlässe für einen Stromausfall eines ganzen Gebiets werden von Energieversorgungsunternehmen meist ein Defekt in einem Kraftwerk, die Beschädigung einer Leitung, ein Kurzschluss oder eine lokale Überlastung des Stromnetzes angegeben. Diese Anlässe wären jedoch bei einer funktionierenden Regelung im Allgemeinen kein Grund für einen Stromausfall. Überregionale Stromnetze werden nach dem (n-1)-Kriterium betrieben. Das bedeutet, dass zu jeder Zeit ein elektrisches Betriebsmittel, ein Transformator, eine Leitung oder ein Kraftwerk ausfallen darf, ohne dass es zu einer Überlastung eines anderen Betriebsmittels kommen darf oder gar zu einer Unterbrechung der Energieversorgung. Nach diesem Standard müssen in Deutschland und im Gebiet der UCTE die Verbundnetze geführt werden. Kommt es allerdings –  z. B. durch einen Defekt in einem Kraftwerk –  zum gleichzeitigen Ausfall mehrerer Trafos oder Leitungen, kann es zur Unterbrechung der Stromversorgung kommen. Im korrekt betriebenen System müssen also mindestens zwei Ereignisse zusammenkommen, damit eine Versorgungsunterbrechung entstehen kann.

Szenario eines großen Stromausfalls

Wenn die Stromversorgung in einem Netz vollständig zusammengebrochen ist, und selbst die Kraftwerke keinen Strom mehr aus dem Netz beziehen können, so spricht man auch von einem Schwarzfall. In diesem Fall können nur schwarzstartfähige Kraftwerke wie besonders dafür vorbereitete Gasturbinenkraftwerke oder Flusskraftwerke ohne äußere Energiezuführung starten. Die Leistung jener schwarzstartfähigen Kraftwerke dient in Folge dazu, nicht schwarzstartfähige Kraftwerke wie beispielsweise Kohlekraftwerke in Stufen zu starten. Manche nicht schwarzstartfähige Kraftwerke, wie beispielsweise Kernkraftwerke, verfügen aus Sicherheitsgründen auch über eigene schwarzstartfähige Einheiten, meist in Form von Gasturbinen, mit denen die Eigenversorgung und auch das Starten des Kraftwerks ohne äußere Energiezuführung möglich ist.

Auswirkungen, falls Auftrennung in Inselnetze scheitert

Lässt sich für den momentanen Bedarf im eigenen Netz nicht genügend Energie aktivieren, z. B. bei Ausfall der Netzregelung, sinkt insbesondere die Netzfrequenz, denn die Lastdifferenz wird zunächst aus der kinetischen Energie aller rotierenden Massen in den Generatoren gedeckt. Dieser Fall wird als Unterfrequenz bezeichnet und ist im Westeuropäischen Verbundnetz (UCTE-Regelzone) in fünf Stufen unterteilt: Dabei wird neben der kurzfristigen Aktivierung von Reserven insbesondere der automatische Lastabwurf vollzogen.

Kann dadurch keine Stabilisierung erreicht werden, so sollte als letzte Rettungsmöglichkeit vor dem totalen Netz-Blackout eine Auftrennung in mehrere, zueinander asynchrone Netzbereiche (Inselnetze oder "Netzzellen") erfolgen, zwischen denen kein Leistungsfluss mehr stattfindet. Damit eine Chance für eine erfolgreiche Auftrennung in unabhängige Inselnetze besteht, müssen von den Verteilnetzbetreibern und Stromerzeugern in engster technischer Zusammenarbeit sehr schwierig umzusetzende Inselauftrennkonzepte erarbeitet und trainiert werden, was organisatorisch durch die von den Regulierungsbehörden vorgegebenen Unbundling-Richtlinien 2014 noch sehr erschwert wird. Außerdem bekommen 2014 weder die Verteilnetzbetrieber noch die Stromerzeuger (Kraftwerke) die dazu erforderlichen Budgetmittel von der Bundesnetzagentur in Deutschland bzw. e-control in Österreich genehmigt. Im Fall nicht erfolgreicher Inselnetzauftrennung kommt es damit im gesamten europäischen Netz zu einem totalen Ausfall aller Netzteile, da sich die Kraftwerke wegen Abweichung von der Normfrequenz 50 Hz automatisch vom Netz trennen. Größere kalorische Kraftwerke (Grundlastkraftwerke) wie Kohlekraftwerke oder Kernkraftwerke versuchen, sich bei Netztrennung durch Reduktion der Leistung im Eigenbedarf zu fangen und diesen nicht optimalen Betriebszustand für einige Stunden aufrecht zu halten. Gelingt dieses Auffangen und Halten im Eigenverbrauch des Kraftwerks nicht, werden die betroffenen Kraftwerksblöcke abgeschaltet, was zu einem längeren Prozess der Wiederinbetriebnahme führt.

Folgen

Die Netzanschlüsse sind auf unterschiedliche lokal getrennte Umspannwerke geschaltet, um beim Ausfall eines Umspannwerks über das andere weiter mit Strom versorgt werden zu können. Das übergeordnete Netz ist bei beiden Umspannwerken in der Regel dasselbe, so dass sich eine Störung dort auch auf beide Anschlüsse auswirkt. Viel wichtiger ist z. B. in Krankenhäusern die Verwendung einer Anlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV).

Im Bereich der EDV können Stromausfälle zum Verlust nicht gesicherter Daten sowie im Einzelfall zur Beschädigung von Geräten führen. Einzelne Geräte können bei Stromausfall noch Meldungen an andere Geräte absetzen, z. B. ein Dying-Gasp-Signal.

Schwerwiegende wirtschaftliche Schäden können auch in Industriebetrieben entstehen, die auf eine fortwährende Energiezufuhr angewiesen sind und einen Produktionsprozess nach einer Leistungsunterbrechung nicht ohne Weiteres fortführen können (etwa die chemische Industrie, Lebensmittelverarbeitung usw.).

Auch im privaten Bereich können vor allem längere Stromausfälle unangenehme Folgen haben:[8]

  • Beleuchtung: Elektrisches Licht, Ampeln, Signale fallen aus. Ebenso elektrische Rolladenantriebe.
  • Mobilität: Aufzüge, Skilift, Seilbahn oder Parkhausschranken fallen aus, genauso wie Abfahrtsanzeigen des Öffentlichen Verkehrs. Eisenbahnen haben zum Teil eigene Stromversorgungsnetze. Akkus für Radbeleuchtung oder Taschenlampen können nicht mehr so einfach aufgeladen werden. Die meisten Fahrradnummernschlösser brauchen nachts oder in dunklen Bereichen künstliches Licht.
  • Wärme: Die Heizung/Lüftung bzw. Klimaanlage fällt aus, Elektroheizungen, aber auch Öl-, Gas- und Pellets-Zentralheizungen haben ohne elektrischen Strom keine Steuerung, keinen Zündfunken und keine Umwälzpumpe. Wäsche kann nur noch an Luft trocknen.
  • Lebensmittel: Lebensmittel werden im Kühl- sowie Gefrierschrank nicht länger gekühlt und können bei einem längeren Stromausfall verderben bzw. auftauen.
  • Kochen: Elektroherd, Mikrowelle, Kaffeeautomat, Wasserkocher usw. funktionieren ohne den elektrischen Strom nicht.
  • Nachrichten: Rundfunk und Fernsehen mit Netzspannung funktionieren nicht. Radiogeräte mit Akkus oder Batterien funktionieren unter Umständen, sofern die Sendeanlagen nicht vom Stromausfall betroffen sind.
  • Kommunikation: Mobiltelefonie, Festnetz sowie Computer und Internet stehen bei längeren Stromausfällen nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung.
  • Geld: Geldautomaten von Banken sind meistens nicht funktionsfähig.
  • Einkaufen: In Supermärkten gibt es meist Einschränkungen, da weder Kassen, noch die Kühlung der Lebensmittel funktionieren, wenn kein Notstromaggregat vorhanden ist. Getränkebonier- und -zapfsysteme in der Gastronomie fallen aus. Elektrische Schiebe- und Drehtüren sind funktionsunfähig.
  • Treibstoff: Die meisten Tankstellen haben weder einen eigenen Stromerzeuger, noch eine Einspeisevorrichtung für einen Stromerzeuger. Ohne Strom funktionieren die Pumpen nicht, die die Zapfsäulen und Zapfhähne mit dem Treibstoff aus den unterirdischen Tanks speisen.
  • Wasser: Bei einem längeren Stromausfall fallen Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung mit Pumpen aus. Bei Wasserversorgungsnetzen, welche durch das natürliche Gefälle und ohne Pumpen betrieben werden (wie bei der Wiener Wasserversorgung über die Hochquellenwasserleitungen), hat ein Stromausfall auf die Versorgung nur geringe Auswirkung.
  • Sicherheit: Türsprechanlagen und Türöffner, Zutritts-Sicherungssysteme, Alarmanlagen, Feuermelder und Warnlichter für Flugverkehr auf hohen Bauwerken funktionieren nur, falls und solange Akkus oder Notstromsysteme ersatzweise liefern. Krankenhäuser haben hierzulande Notstromaggregate und besonders kritische Bereiche wie Operationssaal und Intensivmedizin haben eine Unterbrechungsfreie Stromversorgung. Fluchtwegmarkierungsleuchten in größeren (auch: Wohn-)Gebäuden sind meist einzeln akkugestützt und leuchten eine Zeitlang.

Eine Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) kommt zu dem Ergebnis, dass durch einen langandauernden und großflächigen Stromausfall alle kritischen Infrastrukturen betroffen wären und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft kaum zu verhindern wäre. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials sei ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.[9]

Lastabwurf auf Eigenbedarfsleistung in Kernkraftwerken

Zur Absicherung gegen externe Netzausfälle müssen die Kernkraftwerke (KKW) in Deutschland nach der kerntechnischen Regel „KTA 3701“[10] über mindestens zwei netzseitige Versorgungsmöglichkeiten sowie – bei Ausfall der externen Netze – über eine automatische Umschaltung auf Eigenbedarfsleistung des Kraftwerkes (Lastabwurf auf Eigenbedarfsleistung) verfügen. Erst bei Ausfall dieser drei Einspeisewege tritt der Notstromfall ein, der durch das redundante Notstromsystem des Kraftwerkes abgesichert wird, das den Strombedarf für die redundanten Nachkühlpumpen für die Nachwärmeabfuhr abdeckt. Der Notstromfall ist in den „Probabilistischen Sicherheitsanalysen (PSA)“ der KKW ein expliziter Untersuchungsfall („auslösendes Störfallereignis“) und wird in [11] mit einer Eintrittshäufigkeit von H = 2,5 × 10-2/Jahr angegeben.

Verschiedentlich hatten KKW aber bereits mit Problemen zu kämpfen, die das ordnungsgemäße Funktionieren dieser Notstromaggregate respektive deren Zuschalt-Vorrichtungen betrafen. Am bekanntesten diesbezüglich sind wohl die Nuklearunfälle von Fukushima und die Störfälle von 2006 im schwedischen Kernkraftwerk Forsmark. Ähnliche Vorfälle ereigneten sich 1975 im Kernkraftwerk Greifswald, 1982 im belgischen Kernkraftwerk Doel, 1999 im französischen Kernkraftwerk Blayais, 2000 im New Yorker Kernkraftwerk Indian Point 2, 2001 im taiwanesischen Kernkraftwerk Maanshan, 2004 im Kernkraftwerk Biblis, 2007 im französischen Kernkraftwerk Dampierre und Kernkraftwerk Penly und schweizerischen Kernkraftwerk Beznau 1 und 2011 im französischen Kernkraftwerk Tricastin.

Am 26. April 1986 übte das Bedienungspersonal des Kernkraftwerks Tschernobyl das Beherrschen eines Kernreaktors (Block 4) bei einem vollständigen Stromausfall. Dabei kam es auf Grund schwerwiegender Verstöße gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften und wegen der bauartbedingten Eigenschaften des mit Graphit moderierten Kernreaktors zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg, der zum Brand und zur Explosion des Reaktors (Katastrophe von Tschernobyl) führte.

Initiativen, Projekte und Analysen zum Thema Stromnetz-Blackout

Zuverlässigkeit der Netze vor der Energiewende

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Strom-Ausfallzeiten in verschiedenen Ländern 2007/2008

Die Bundesnetzagentur hat in ihrer Verfügbarkeitsstatistik für das Jahr 2009 ermittelt, dass die Nichtverfügbarkeit von elektrischer Energie bei 14,63 Minuten pro Letztverbraucher in Deutschland lag (entspricht etwa 0,0027 %), was einer Verbesserung von 2,26 Minuten im Vergleich zu 2008 mit 16,89 Minuten entspricht. Somit konnte die Versorgungsqualität zum dritten Mal in Folge – bezogen auf das Vorjahr – verbessert werden. Im innereuropäischen Vergleich lag die Versorgungssicherheit vor dem unkoordinierten Start der Energiewende in Deutschland sehr hoch. Im Nachbarland Österreich lag die durchschnittliche Ausfallzeit 2008 bei 43,69 Minuten pro Letztverbraucher, 2009 bei 36,56 Minuten.

Stromausfälle im Bahnstromnetz und im öffentlichen Netz haben im Regelfall keine wechselseitigen Auswirkungen, da beide Systeme weitgehend unabhängig voneinander betrieben werden. Insgesamt kam es zu ca. 208.100 Versorgungsunterbrechungen, die von 846 Netzbetreibern an die BNA mitgeteilt wurden. In die Statistik gingen nur solche Unterbrechungen ein, die sowohl unbeabsichtigt waren und länger als 3 Minuten andauerten sowie in die Verantwortung der Netzbetreiber fielen, also nicht durch Unwetter und ähnliches verursacht wurden.[12]

Laut dem Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sei die Beschränkung auf Ausfälle, die länger als 3 Minuten andauern, zu ungenau. Rund 60 % der Störungen hätten weniger als eine Sekunde gedauert, was vor allem Industriekunden erhebliche Probleme verursache.[13][14] Solche kurzen Störungen können aber per USV vom Kunden selbst abgefangen werden.

Mit dem SAIDI (System Average Interruption Duration Index) kann eine international anerkannte Aussage über die Qualität des Stromnetzes getroffen werden. thumb

Die Zuverlässigkeit des Verbundnetzes wird heute – wie die Erfahrungen aus den zurückliegenden Netzausfall-Ereignissen zeigen – durch das Risiko von Mehrfachfehlern (kaskadierende Fehler) im Netz bestimmt. Der Systemindex (SAIDI) liefert hierüber keine Aussagen.[4] [5][1]

Allgemeindaten Niederspannung Mittelspannung SAIDI
Berichtsjahr Anzahl Netzbetreiber/Netze Letztverbraucher (in Mio.) Anzahl Unterbrechungen (insg. in Tsd.) SAIDI (Minuten) Anzahl Unterbrechungen (insg. in Tsd.) SAIDI (Minuten) SAIDI (Minuten) Nichtverfügbarkeit in %
2013 868/878 49,5 151,4 2,47 27,8 12,85 15,32 0,0029 %
2012 866/883 49,3 159,0 2,57 32,0 13,35 15,91 0,0030 %
2011 864/928 48,9 172,0 2,63 34,7 12,68 15,31 0,0029 %
2010 890/963 49,0 169,2 2,80 37,1 12,10 14,90 0,0028 %
2009 821/842 48,4 163,9 2,63 35,1 12,00 14,63 0,0027 %
2008 813/834 48,4 171,5 2,57 36,6 14,32 16,89 0,0032 %
2007 825 48,5 196,3 2,75 39,5 16,50 19,25 0,0037 %
2006 781 48,5 193,6 2,86 34,4 18,67 21,53 0,0041 %
Daten:[15]

Blackout-Risiko nach der Energiewende: BlackÖ.1

Auftrag für BlackÖ.1 von KIRAS-Sicherheitsforschung

Das Projekt „Blackouts in Österreich“ analysiert die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von großflächigen Ausfällen im österreichischen Stromnetz. Das Projekt „Blackouts in Österreich“ erarbeitet eine hinsichtlich des Detailgrads sowohl für Österreich als auch im europäischen Raum einzigartige Bottom-up Analyse der kaskadenartigen Ausfallswirkung, der Schadenskosten, der Betroffenenstruktur und der Wahrscheinlichkeiten großflächiger Stromausfälle.

Elektrischer Strom war der Schlüssel der Industrialisierung. In der heutigen Situation ist eine sichere Stromversorgung eine conditio sine qua non. Ohne gesicherte Stromversorgung ist weder Wachstum noch Entwicklung möglich. In den letzten Jahrzehnten wurde eine sichere Stromversorgung als gegeben erachtet. Die Häufung von großflächigen Ausfällen in Europa in jüngster Zeit hat jedoch einen öffentlichen Diskurs gestartet. Durch den steigenden Stromverbrauch in allen Bereichen der österreichischen Volkswirtschaft stoßen die Stromnetzte in Spitzenzeiten auch in Österreich bereits jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen, so dass die Gefahr großflächiger Stromausfälle mit verheerenden Folgen für Bevölkerung und Wirtschaft steigt. Das Projekt BlackÖ.1 analysiert deshalb präventiv die Folgen und die möglichen Ausfallskaskaden potentieller Störfälle, um auf der erstellten Datenbasis die notwendigen Schritte zu einem Erhalt der Versorgungssicherheit und zur Erstellung von Notfallplänen ehest möglich durchführen zu können. Dieses Projekt führt alle notwendigen Analysen mit den modernsten Methoden der interdisziplinären angewandten Forschung durch und wird eine umfassende, ausgewogene und der wissenschaftlichen Exzellenz entsprechende Informationsbasis für die Entscheidungsträger auf allen Ebenen schaffen.

Das antragstellende Konsortium umfasst Experten aus den Wissenschaftsbereichen Technik, Statistik, Volkswirtschaftslehre und den Sozialwissenschaften. Die Analysen werden unter Einbindung der Konsumenten des Gutes „Versorgungssicherheit“ sowie Verantwortlicher im Bereich der Netzinfrastruktur geplant, durchgeführt und evaluiert und damit eine umfassende, ausgewogene und der wissenschaftlichen Exzellenz entsprechende Informationsbasis für Entscheidungsträger auf allen Ebenen geschaffen.

Das Projekt BlackÖ.1 gliedert sich dabei in vier Analyseschritte:

  • Bestimmung der Ursachen und Wahrscheinlichkeiten verschiedener Blackout-Szenarien in Österreich
  • Bestimmung der unmittelbaren Schäden auf allen Ebenen der Gesellschaft: Wirtschaft, öff. Hand, Haushalte
  • Bestimmung der mittel- bis langfristigen volkswirtschaftlichen Effekte von großflächigen Stromausfällen
  • Bestimmung der gesellschaftlichen Unterschiede hinsichtlich Bedrohungsperzeption und Schadensvulnerabilität innerhalb der Bevölkerung.

Zur effizienten Bearbeitung des Themas wird „Blackouts in Österreich“ in zwei Teilen durchgeführt. Der erste Teil – BlackÖ.1 – wurde im August 2011 abgeschlossen und die Resultate stehen am Ende dieser Seite zum Download zur Verfügung. Der zweite Teil – BlackÖ.2 – wird 2014 noch bearbeitet und voraussichtlich 12/2014 abgeschlossen.

Langtitel: Blackouts in Österreich Teil I – Analyse der Schadenskosten, Betroffenenstruktur und Wahrscheinlichkeiten großflächiger Stromausfälle
Projektstatus: abgeschlossen (07/2009 - 08/2011) Projektpartner:

  • Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz (Projektleitung)
  • Institut für elektrische Anlagen - TU Wien
  • Linz Strom Netz GmbH
  • Wien Energie Stromnetz GmbH
  • Verbund- Austrian Power Grid GmbH
  • Industriellenvereinigung
  • Wirtschaftskammern Österreich
  • Bundeskanzleramt der Republik Österreich

Auftraggeber:

Projektinhalt:
Das Projekt „Blackouts in Österreich“ analysiert die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von großflächigen Ausfällen im österreichischen Stromnetz. Kleinere bis mittelgroße Stromausfälle treten in Österreich ungefähr 10.000 mal im Jahr auf. Diese Unterbrechungen sind meist lokal begrenzt und dauern durchschnittlich etwa 70 Minuten. Die zunehmende Belastung der Netze bei einem gleichzeitig zu geringen Ausbau der Infrastruktur lassen die Wahrscheinlichkeit großflächiger Ausfälle mit katastrophalen Auswirkungen für die heimische Wirtschaft und Bevölkerung jedoch immer stärker steigen. Während frühere Studien (Brauner, 2003; Reichl et al. 2006) nur Indizien für das Ausmaß und die Kosten derartiger großflächiger Stromausfälle geben konnten, wird der erste Teil des Projekts „Blackouts in Österreich“ eine hinsichtlich des Detailgrads sowohl für Österreich als auch im europäischen Raum einzigartige Bottom-up Analyse der Schadenskosten, der Betroffenenstruktur und der Wahrscheinlichkeiten großflächiger Stromausfälle erarbeiten.

Das durchführende Konsortium umfasst Experten aus den Wissenschaftsbereichen Technik, Statistik, Volkswirtschaft und den Sozialwissenschaften. Die Analysen werden unter Einbindung der Konsumenten des Gutes „Versorgungssicherheit“ sowie Verantwortlicher im Bereich der Netzinfrastruktur geplant, durchgeführt und evaluiert und damit eine umfassende, ausgewogene und der wissenschaftlichen Exzellenz entsprechende Informationsbasis für die Entscheidungsträger auf allen Ebenen geschaffen.

Resultate aus BlackÖ.1:
Der Endbericht liegt als Langfassung [16] vor. In diesem Projekt wurde das ökonomische Bewertungsmodell APOSTEL (Austrian Power Outage Simulation Tool of Economic Losses) entwickelt und 2011 präsentiert. Auf dieses rein österreichische Bewertungsmodell aufbauend wurde in mehrjähriger Arbeit ein EU27-weites Bewertungsmodell entwickelt, das nun APOSTEL ersetzt und seit Anfang 2014 fertiggestellt ist. Auf dieses EU27-weite Tool können sie zugreifen unter http://www.blackout-simulator.com.

Blackout-Risiko nach der Energiewende: BlackÖ.2

Langtitel: Blackouts in Österreich Teil II - Blackoutprävention und -intervention im österreichischen Stromnetz
Projektstatus: laufend (01/2013 - 12/2014 )

Konsortialpartner:

  • Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz (Projektleitung)
  • Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe, TU Wien
  • LINZ STROM Netz GmbH
  • Industriellenvereinigung
  • Energie-Control Austria
  • Austrian Power Grid AG
  • Vorarlberger Energienetze GmbH
  • Wien Energie Stromnetz GmbH
  • Cyber Security Austria

Begleitende Partner:

  • Bundeskanzleramt Österreich
  • Bundesministerium für Inneres
  • Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend

Auftraggeber:

  • Kiras-Sicherheitsforschung - Technologieprogramm des Bundesministeriums für

Verkehr, Innovation und Technologie

Projektinhalt:
Struktur und Erzeugungsmix der elektrischen Energieversorgungssysteme befinden sich im Wandel. Es ist absehbar, dass die Beanspruchungen der Netze hinsichtlich Belastungen und Stabilität weiter steigen. Analysen in BlackÖ.1 zeigten, dass das Risiko von großflächigen Blackout-Ereignissen bei den für die Zukunft erwarteten höheren Netzbelastungen zunimmt und somit eine ernsthafte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bedeutet.

Vor allem der Ausbau und die vorrangige Netzintegration hochvolatiler Wind- und Photovoltaikanlagen sowie die prognostizierte Zunahme des inländischen Elektrizitätsverbrauchs, der europäischen Stromtransite und des notwendigen Informationsaustausches in vertikal desintegrierten Elektrizitätsversorgungsunternehmen gefährden die bisher hohe Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie in Österreich.

Um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten zu können, müssen die Energiesysteme entsprechend dieser geänderten Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden. Hierfür sind einerseits präventive Maßnahmen wie die Anpassung der Netze an zukünftige Belastungen und sozio-ökonomischen Ansätze nötig, andererseits sind effektive intervenierende Mechanismen und Strategien zum schnellen Krisenmanagement und Wiederaufnahme der Stromversorgung bei großflächigen Störungen erforderlich. Darüber hinaus muss auch das Bewusstsein bei den Katastrophenschutzbehörden und insbesondere bei der Bevölkerung selbst gestärkt werden, dass ein solches Szenario realistisch ist und die Bewältigung über das unmittelbare Krisenmanagement bei den Netzbetreibern hinausgehen muss.

Wie BlackÖ.1 gezeigt hat, werden solche Maßnahmen derzeit nur in ungenügendem Umfang realisiert. Dies hat neben den finanziellen Restriktionen vor allem zwei Ursachen:

  • Es fehlen genaue Quantifizierungen der Wirkung der einzelnen potentiellen Maßnahmen zur Minimierung der Wahrscheinlichkeit von großflächigen Ausfällen, was eine Selektion der effektivsten Maßnahmen erheblich erschwert.
  • Das Wissen, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung bereit ist die - teilweise mit einer Beeinträchtigung der Lebens- und Umweltqualität einhergehenden - Maßnahmen zur Stärkung der Elektrizitäts-Versorgungssicherheit zu unterstützen, ist nicht in ausreichendem Umfang vorhanden.

BlackÖ.2 zielt darauf ab, diese beiden Ursachen für das Fehlen ausreichender Maßnahmen-Implementierungen zu analysieren und Empfehlungen für Entscheidungsträger auf politischer Seite, sowie auf Seiten der Netzverantwortlichen, zu geben.

Initiativen zur Risikoreduktion eines Stromnetz-Blackouts

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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: Es sei "eine Illusion
zu glauben, Deutschland könne gleichzeitig aus Kernkraft & Kohle aussteigen"[17]


Minister Gabriel & IG BCE: Zu schnelles Abstellen der Kohlekraftwerke vermeiden

Zwischen Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium ist laut Spiegel-Bericht vom 9. Nov. 2014[17] ein Streit um den Klimaschutz entbrannt. Um das von der Bundesregierung selbst gesteckte Klimaschutzziel zu erreichen, nämlich den CO2-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, müssten etwa 15 bis 20 Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Wie der SPIEGEL in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, sucht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Wegen, um ein allzu schnelles Abkoppeln der Kraftwerke vom Netz zu vermeiden. Der SPIEGEL zitiert Gabriel mit den Worten: Es sei "eine Illusion zu glauben, Deutschland könne gleichzeitig aus der Kernkraft und der Kohle aussteigen". Gabriel könne sich auch eine Verschiebung des Aktionsprogramms Klimaschutz vorstellen, das am 3. Dezember im Kabinett eingebracht werden soll. Umweltministerin Barbara Hendricks wiederum hält laut SPIEGEL an der Selbstverpflichtung fest: "Wir wollen Vorreiter sein in der Welt. Wir werden die 40 Prozent nicht erreichen, wenn wir nicht weitere Maßnahmen ergreifen." Dazu gehöre auch das Abschalten von Kohlekraftwerken. Unterstützung findet Gabriel bei der Industriegewerkschaft IG BCE. Vorsitzender Michael Vassiliadis: "Unsere erste Priorität war der Ausstieg aus der Kernenergie, und das könnte bedeuten, dass wir das Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 um ein paar Jahre verpassen werden."[17]

Anheben ausländischer Kraftwerksreserven von 3600 MW auf 6000 MW (2014->2015)

Sigmar Gabriel: Bei der Energiewende passt fast nichts zusammen
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich beim Treffpunkt Foyer der Stuttgarter Nachrichten über den Stand der Energiewende beklagt. „Da passt nichts zusammen“ sagte er auf der Podiumsveranstaltung und mahnte einen raschen Ausbau der Stromnetze an. In Süddeutschland werde ein Atomkraftwerk nach dem anderen abgeschaltet. Weil der im Norden im Überfluss produzierte Windstrom aber wegen fehlender Leitungen nicht in den Süden komme, müsse dort manchmal Strom aus veralteten Öl-Kraftwerken in Österreich zugekauft werden. Kein Zweifel: Seit das deutsche Energiesystem durch den Umbau hin zu erneuerbaren Energien, die Abschaltung von acht Kernkraftwerken im Frühjahr 2011 und den kompletten Atomausstieg bis 2022 kräftig durcheinandergewirbelt wurde, wird es für die Energiewirtschaft immer schwieriger, die Versorgungssicherheit im Land sicherzustellen. Die Übertragungsnetzbetreiber – etwa die EnBW-Tochter Transnetz-BW – müssen immer häufiger in die Strom-Netze eingreifen, um Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten. Kippt die labile Netzfrequenz in den großen deutschen Stromleitungen, weil irgendwo ein Windpark plötzlich in der Flaute steht oder ein großes Stahlwerk seine Bänder hochfährt, wird es kritisch. Das belegen die Zahlen. Musste Transnet-BW im Jahr 2010 noch 37 Mal ins baden-württembergische Netz eingreifen, seien allein im bisherigen Jahresverlauf 2014 nach Angaben einer Transnet-Sprecherin schon 206 Eingriffe nötig gewesen, um die Versorgung zu sichern. Ähnlich sieht es auch bei den übrigen Netzbetreibern Tennet, Amprion und 50 Hertz aus. Ihr Aufwand steigt permanent.[18]

Welches Wetter führt zu kritischen Situationen?
Gefürchtet sind Stürme über Norddeutschland, die innerhalb weniger Minuten tausende Windräder unter Volllast setzen. Ende Januar 2013 kam es zu so einer Lage. Innerhalb kurzer Zeit verzwanzigfachte sich damals das Windstromaufkommen in Norddeutschland. Statt einem Gigawatt drückten plötzlich 20 Gigawatt in die Leitungen. Weil wichtige Stromtrassen von Nord nach Süd fehlten, konnte sich die Energie– bildlich gesprochen – nicht schnell genug in ganz Deutschland verteilen. Der Kollaps konnte nur verhindert werden, weil drei österreichische und ein hessischer Meiler innerhalb kürzester zeit angefahren wurden.

Welche Rolle spielen die Stromnetze?
Das Hauptproblem Deutschlands ist nicht Strommangel, sondern Netze, die ihn dorthin transportieren können, wo er gebraucht wird – Situationen wie im Januar 2013 unterstreichen diese Sicht. Aber Bürgerproteste und dauernde politische Querschüsse – etwa aus Bayern – bremsen die nötigen Projekte. Im Fokus stehen dabei insbesondere drei Gleichstromtrassen, die Energie von den deutschen Küsten in die Zentren Süddeutschlands bringen sollen. Das der Netzausbau aktuell nur schleppend vorankommt und gleichzeitig keine neuen Kraftwerke gebaut werden, sind zwei der größten bislang ungelösten politischen Probleme im Energiebereich.[18]

Wie kritisch sind kalte Winter?
Der Winter stellt die Netzbetreiber regelmäßig mittlerweile regelmäßig vor Herausforderungen. Der Februar 2012 stellt hier eine Zäsur dar. Damals führte eine wochenlange Kältephase in ganz Europa im Zusammenspiel mit ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland zu einem partiellen Kollaps der deutschen Energieversorgung. Weil zu wenig Gas vorhanden war, verschickten Stadtwerke Aufforderungen an ihre Kunden, die Raumtemperatur zu senken oder schalteten kleine Blockheizkraftwerke ab. In Karlsruhe musste sogar ein großes Gaskraftwerk vom Netz, weil der Nachschub an Brennstoff stockte. Damit geriet auch die Stromversorgung ins Wanken. Kurzfristig – und erstmals – mussten ausländische Kraftwerke in großem Umfang angezapft werden, um einen Blackout in Deutschland zu vermeiden.

Was ist seit der Februarkrise 2012 passiert?
Energiesicherheit kam oben auf die Agenda der Versorger. Speziell Baden-Württemberg und Bayern machten Druck. In Süddeutschland deckten bislang Kernkraftwerke die Energieversorgung in hohem Maße ab. Das Aus für die Technologie sorgt nun für Versorgungslücken, die geschlossen werden müssen. Nach langen politischen Diskussionen stellte im Jahr 2013 eine Reservekraftwerksverordnung die Notfall-Versorgung Deutschlands mit Strom auf ganz neue Beine. Seither müssen Energieversorger, die Kraftwerke stilllegen wollen, dies ein Jahr im Voraus anmelden. Wenn die Anlage wichtig für die Versorgung ist, muss sie weiterbetrieben werden. Aus diesem Grund muss beispielsweise die EnBW ihre Kraftwerke in Marbach und Walheim laufen lassen – sie sind systemrelevant und müssen ebenso wie ein Kohlekraftwerk in Mannheim für Notfälle da sein. Nach aktuellen Daten der Bonner Bundesnetzagentur (BnetzA) kommen so deutsche Reservekraftwerke mit einer Leistung von 2242 Megawatt zusammen. Rein rechnerisch steht also die Leistung zweier Kernkraftwerke für Notfälle in der Hinterhand bereit.[18]

Welche Rolle spielt das Ausland?
Die Bedeutung des Auslands wird immer größer. Die deutschen Netzbetreiber schließen in zunehmendem Maß Verträge mit ausländischen Energieversorgern und sichern sich Energielieferungen für den Winter. Österreich kann so nach BNA-Daten im Winter 2014/2015 im Notfall mit 785 Megawatt Kraftwerksleistung einspringen. Der Betrag, verteilt sich nach Informationen aus Branchenkreisen auf diverse Öl- und Kohle-befeuerte Anlagen des Betreibers EVN. Italien kann Deutschland im Notfall über Alpenleitungen 609 Megawatt zur Verfügung stellen. Auch die Schweiz lieferte in der Vergangenheit schon Energie, wenn es brenzlig wurde. Dabei steigt die Zahl der Notfall-Kraftwerke schnell. Müssen dieses Jahr in Summe rund 3600 Megawatt vorgehalten werden, sind es im folgenden Winter 6000 Megawatt, danach schon 7000 Megawatt Kraftwerksreserven.[18]

Atomkraftwerke

Schweizer stimmen am 21.5.2017 gegen Bau neuer Kernkraftwerke

Die Schweizer wollen keine Atomkraftwerke mehr. Das Ergebnis der Volksabstimmung ist eindeutig. Vorzeitig abgeschaltet werden die fünf bestehenden Meiler aber nicht. Zwei sind sehr nah an der baden-württembergischen Grenze.[19]

Die Schweizer haben sich am Sonntag, dem 21. Mai 2017 mit deutlicher Mehrheit für den Atomausstieg und eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien ausgesprochen. 58,2 Prozent votierten am Sonntag bei einer Volksabstimmung für ein neues Energiegesetz, wie das Fernsehen SRF nach Auszählung aller Stimmen berichtete. Das Gesetz verbietet etwa den Bau neuer Atomkraftwerke. Die fünf bestehenden Kraftwerke sollen am Netz bleiben, solange sie von der Aufsichtsbehörde als sicher eingestuft werden. Das Gesetz gilt ab 2018. "Bis das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird, kann es noch zehn bis 15 Jahre dauern“, sagte Rolf Wüstenhagen, Professor für Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen, der Deutschen Presse-Agentur. Der Siedewasserreaktor in Mühleberg wird bereits 2019 stillgelegt. Eine Abschaltung aller Kraftwerke bis 2029 hatten die Schweizer im November deutlich abgelehnt.[19]

Schweizer fokussieren sich auf erneuerbare Energien
Zwei der fünf Kernkraftwerke, Beznau 1 und 2, liegen nur wenige Kilometer hinter der Grenze Baden-Württembergs. Beznau 1, das dienstälteste Atomkraftwerk der Welt von 1969, ist allerdings aus Sicherheitsgründen seit zwei Jahren vom Netz. Das Hochfahren hat sich immer wieder verzögert. Die Karlsruherin und atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, forderte eine Abschaltung der Atomkraftwerke. Zwar zeige das Referendum, dass sich die Schweizer Nachbarn künftig auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz fokussieren. „Auch der Ausschluss für AKW-Neubauten ist wichtig und notwendig. Trotzdem verbleiben die gefährlichen Uraltmeiler an der süddeutschen Grenze, deren unverantwortliches Risiko mit jedem Jahr größer wird“, sagte die Abgeordnete. „Wir müssen die massiven Defizite dieser AKW verstärkt angehen und dafür kämpfen, dass sie endlich abgeschaltet werden.“[19]

60 Prozent des Stroms aus nachhaltigen Quellen
Knapp 60 Prozent des Schweizer Stroms kommen bereits aus nachhaltigen Quellen, überwiegend aus Wasserkraft. In Deutschland ist der Anteil nur etwa halb so hoch. Das neue Energiegesetz verschärft auch die Richtwerte für den CO2-Ausstoß von Autos und erhöht Fördergelder für erneuerbare Energien. Die Sanierung bestehender Gebäude für mehr Energieeffizienz soll auch gefördert werden. Finanziert wird das teilweise durch Zusatzabgaben der Stromkunden. Deshalb hatte die konservative Volkspartei (SVP) vor horrenden Strompreisen gewarnt und gegen das Gesetz Stimmung gemacht. Sie bekam Schützenhilfe vom früheren deutschen Innenminister Otto Schily. Er nannte die Energiewende in Deutschland ein Desaster und legte sie den Schweizern als abschreckendes Beispiel nahe. Solche deutschen Interventionen in die eidgenössische Politik kommen selten gut an. Neben dem Energiegesetz gab es zahlreiche regionale Abstimmungen. Die Basler lehnten einen Radweg rund um die Altstadt, der Wohnsiedlungen mit Schulen, Sportanlagen und Arbeitsplätzen verbunden hätte, ab.[19]

Weitere Informationen

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Internet-Links

Quellen / Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Power Blackout Risks, PDF-Datei mit 2,0 MB, Risk Management Options – Emerging Risk Initiative von Allianz.com
  2. Power grid terms: supply-side management (SSM), grid.referata.com, abgerufen am 25. Oktober 2014
  3. Power grid terms: demand-side management (DSM), grid.referata.com, abgerufen am 25. Oktober 2014
  4. 4,0 4,1 4,2 Auswirkungen des Kernkraftwerk-Moratoriums auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit,
    Bericht der Bundesnetzagentur an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 11. April 2011, PDF-Datei mit 71 Seiten und 695 kB.
  5. 5,0 5,1 Assessment of Power System Reliability: Methods and Applications, Marko Čepin (University of Ljubljana), Springer, 2011.
  6. Halloween Space Weather Storms of 2003, NOAA Technical Memorandum OAR SEC-88, Space Environment Center, Boulder, Colorado, June 2004, Seite 37, Abgerufen 17. Dez 2013
  7. Wie gefährlich sind koronale Massenauswürfe? Ein Rückblick auf das Carrington-Event von 1859, Scienceblogs.de, veröffentlicht von Christian Reinboth am 30. April 2009, abgerufen am 25. Oktober 2014
  8. BBK Flyer Stromausfall, Vorsorge und Selbsthilfe (PDF) – Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
  9. Petermann, Th. et al.: Was bei einem Blackout geschieht. Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls. edition sigma, Berlin 2011, ISBN 978-3-8360-8133-7 (Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag 33)
  10. KTA 3701, Übergeordnete Anforderungen an die elektrische Energieversorgung in Kernkraftwerken, PDF-Datei mit 28 Seiten und 240kB, Fassung: 2012-11.
  11. Bewertung des Unfallrisikos fortschrittlicher Druckwasserreaktoren in Deutschland, GRS-175, PDF-Datei mit 8,07 MB und 358 Seiten, GRS - 175, ISBN 3-931995-43-7, Okt. 2001, Kap. 5.1 Auslösende Ereignisse
  12. Weiterhin hohe Versorgungssicherheit in deutschen Elektrizitätsnetzen (PDF) – Bundesnetzagentur, die bisher geringen Ausfallzeiten lassen nicht die Risiken in der Situation 2014 erkennen
  13. Dow Jones Energy Weekly
  14. Pressemitteilung VIK vik.de
  15. Bundesnetzagentur: Versorgungsqualität – SAIDI-Wert 2012
  16. Blackouts in Österreich (BlackÖ.1 Teil I, Endbericht)
    Dieses Projekt wurde finanziert im Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit)
    Herausgeber: Dr. Johannes Reichl und MMag. Michael Schmidthaler, August 2011, PDF-Datei mit 8.81 MB und 266 Seiten, abgerufen am: 25. Okt. 2014
  17. 17,0 17,1 17,2 Gabriel rückt von Klimazielen ab, DER SPIEGEL, 09.11.2014
  18. 18,0 18,1 18,2 18,3 Energiewende: Ausland sichert Stromversorgung, Stuttgarter Nachrichten, Walther Rosenberger, 28.11.2014, Sigmar Gabriel: Bei der Energiewende passt fast nichts zusammen
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 Volksabstimmung: Schweizer stimmen für Atomausstieg - doch die Kernkraftwerke bleiben vorerst an, Focus.de, Sonntag, 21.5.2017